Stellungnahme vom 31. März 2021

Bebauungsplan Se 11 in der Ortschaft Sechtem

Az.: 61 26 01 – Se 11

Bebauungsplan Se 11 in der Ortschaft Sechtem

Stellungnahme des LSV zum Bebauungsplan Se 11 in der Ortschaft Sechtem

Das 0,49 ha große Plangebiet liegt am nördlichen Rand des Gewerbegebiets Sechtem im Bereich der Marie-Curie-Straße, der Gutenbergstraße und der Ottostraße.

Der Bebauungsplan Se 11 soll die Voraussetzungen zur Erweiterung eines bestehenden Gewerbebetriebs auf einem betriebseigenen Grundstück am Ortsrand von Sechtem um ca. 0,5 ha ermöglichen. In dem Gewerbebetrieb „werden seit 2004 Reinigungsmittel gemischt, abgefüllt und gelagert, die zum Teil den Gefahrgutklassen 6 (giftige Stoffe) und 8 (ätzende Stoffe)“ zuzuordnen sind und damit besonderen Sicherheitsanforderungen unterliegen (Stadt Bornheim: „Bebauungsplan Se 11 – Begründung“, Stand 12.11.2020, S. 3).

Der LSV begrüßt, dass seinen im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher Belange gemachten Anregungen vollumfänglich entsprochen wurde (Stadt Bornheim „Ergebnisse der frühzeitigen … Beteiligung“, S. 4).



1. Planungsrechtliche Situation:

Die Betriebserweiterung liegt zurzeit noch im Außenbereich. Daher wurde vom Rat der Stadt Bornheim die Aufstellung des Bebauungsplans Se 11 beschlossen, um die planungsrechtlichen Voraussetzungen für das Bauvorhaben zu schaffen.

Im Regionalplan wird die Erweiterungsfläche als „Bereich für gewerbliche und industrielle Nutzung“ und im Flächennutzungsplan (FNP) der Stadt Bornheim als „gewerbliche Baufläche“ dargestellt.

Der Landschaftsplan Nr. 2 Bornheim weist für die Erweiterung keine Festsetzungen aus. Die Fläche unterliegt nicht dem Landschaftsschutz.


2. Umweltauswirkungen

Die Ergebnisse der „Artenschutzrechtlichen Prüfung (ASP), Stufe I: Vorprüfung“ der Planungsgruppe Grüner Winkel, Nümbrecht (30.09.2019) sind für den LSV nachvollziehbar.

Das Plangebiet enthält keine im Biotopkataster der LANUV aufgelisteten Biotope und tangiert nicht die nächstgelegenen Biotopverbundkorridore VB-K-5107-006 und VB-K-5107-013 (Abb. 7). Das Biotopkataster ergibt „keine Hinweise auf planungsrelevante Arten“ (S. 13).

„Häufige und weit verbreitete Vogelarten“ wurden im Rahmen der Ortsbegehung im Plangebiet erwartungsgemäß registriert (S. 15). Der Gutachter Dipl.-Ing Günter Kursawe schließt in seiner „Artenschutzrechtlichen Prüfung“ planungsrelevante Vogel- und Fledermausarten „als Nahrungsgäste oder Durchzügler … nicht vollständig aus“. Der LSV teilt die Ansicht des Experten, dass dies aber für die Planung aufgrund der kleinen Fläche in Gewerbegebietsrandlage sowie der Ausweichmöglichkeiten ins benachbarte Landschaftsschutzgebiet keine grundlegende Bedeutung für den Erhalt geschützter Arten hat (S. 17).  

Der Gutachter weist darauf hin, dass die Rasenfläche des Erweiterungsgebiets „am Rand“ von „lebensraumtypischen Laubbäumen mit mittlerem Baumholz“ umrahmt wird (S. 3). Die „Suche nach Nestern, Spechthöhlen, Baumhöhlen und potentiellen Fledermausquartieren“ bei der Ortsbegehung verlief bei den Gehölzen und der vorhandenen Halle ergebnislos (S. 14).

Der nun ebenfalls vorliegende „Umweltbericht“ (Dipl.-Ing. Landespflege G. Kursawe, Nümbrecht, 24. 06. 2020) bekräftigt das Ergebnis der „Artenschutzrechtlichen Prüfung“ und betont den Wert der vorhandenen „11 lebensraumtypischen Laubbäumen mittleren Baumholzes (Stiel-Eiche, Berg-Ahorn)“, welche die nördlichen, westlichen und südlichen Ränder des Betriebsgeländes säumen (Stadt Bornheim: „Bebauungsplan Se 11 – Umweltbericht“, Stand 12.11.2020, S. 25).

Der LSV unterstützte, dass die Bäume und Sträucher entlang der Grundstücksgrenzen erhalten werden sollen und dass auch seine Anregung aufgenommen wurde, diesen Gehölzsaum zu verdichten, um den Gewerbebereich zur freien Landschaft hin wirkungsvoll einzugrünen: „Es werden in den Lücken der vorhandenen Baumreihe drei Einzelbäume und Sträucher gemäß der Auswahlliste einheimischer Bäume und Sträucher für Pflanzlisten in Bebauungsplänen und für Kompensationsmaßnahmen gepflanzt und dauerhaft erhalten. Der ca. 5 m breite Streifen entlang der Grundstücksgrenze, der bereits mit Einzelbäumen bestanden ist, wird zwischen und unter den Bäumen mit lebensraumtypischen Sträuchern bepflanzt.“ (S. 30).

Im „Umweltbericht“ werden die Auswirkungen auf wildlebende Tiere und vorhandenen Habitate und Habitatstrukturen „insgesamt als nicht erheblich eingestuft“ (S. 28). 2.360 qm werden durch die Betriebserweiterung versiegelt. Diese Neuversiegelung wird durch die jetzt verbindliche Dachbegrünung auf einer Fläche von 1.685 qm z.T. kompensiert: „Die Dachflächen der neuen Gebäude werden mit Gras-Kräutermischungen (z.B. extensive Dachbegrünung-HESA D610 oder gleichwertig) und Sedum-Sprossenansaaten begrünt“ (S. 31 f.).

LSV-Anregungen:

  1. Eine Begrünung der Gebäudefassaden verbessern das Mikroklima u.a. durch  Staub- und CO2-Bindung, Sauerstoffanreicherung und Temperatursenkung durch Verdunstung und Beschattung. Sie ist ein Beitrag gegen die Klimaerwärmung und dient Tieren als Unterschlupf. Wir empfehlen deshalb eine verbindliche Umsetzung von Fassadenbegrünungen im Neubaugebiet. Dank des Abkühlungseffekts einer Fassadenbegrünung durch Beschattung und Verdunstung könnte zudem hinsichtlich der im Betrieb verarbeiteten, Feuer gefährlichen Chemikalien das Gefahrenpotential z.B. durch erhöhte Brand- und Explosionsgefahr gemildert werden.
  2. Auch bei den sogenannten „Allerweltsarten“ ist ein erschreckender Rückgang bei den Populationsstärken nachgewiesen. Wir regen deshalb als Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt die Anbringung von Fledermauskästen und Vogelnisthilfen an den Gebäuden und in dem Baum- und Strauchstreifen entlang der Grundstücksgrenzen an.

Der Umweltbericht schlägt vor, „auf Beleuchtungsmittel zurückzugreifen, die eine geringe Anziehungswirkung auf Insekten haben (z.B. warmweiße LED-Lampen)“ (S. 28). Dieser Vorschlag wurde von der Stadtverwaltung aber nicht aufgegriffen (Stadt Bornheim, „Textliche Festsetzungen“).

LSV-Anregung:

Im Baugebiet wird eine Beleuchtung mit geringer Anziehungskraft auf Insekten vorgeschrieben, die möglichst gering in die freie Landschaft ausstrahlt. Der Vollausgleich für den Eingriff in Natur und Landschaft kann im Plangebiet selbst nicht erreicht werden. Es verbleibt ein Defizit von 3.298 ökologischen Wertpunkten. Dieses Defizit soll extern im Bornheimer Stadtgebiet im Rahmen der Aufforstung einer ehemaligen Ackerfläche ausgeglichen werden, so dass der vom LSV gewünschter Vollausgleich erzielt wird (S. 42).


3. Bodenschutz

Die Parabraunerde (L35) im Betriebsgelände ist „besonders schutzwürdig“. 2.363 qm dieses Bodens werden überbaut oder versiegelt. Der nicht betroffene Oberboden „ist getrennt zu lagern und fachgerecht innerhalb geplanter Grünflächen wieder einzubauen“. Die Beeinträchtigung des Schutzgutes Boden ist folglich erheblich und nicht ausgleichbar (S. 33 ff.).

4. Luft, Klima, Klimawandel

Der Umweltbericht stuft unter Verweis auf die Hecken- und Baumpflanzungen und die Dachbegrünung als „nicht erheblich“ ein (S. 36), fordert aber, eine klima- und umweltschonende Stadtentwicklung anzustreben und „verstärkt die erneuerbaren Energien“ zu nutzen. Eine zur Dachbegrünung „zusätzliche Nutzung durch Photovoltaikanlagen ist hierbei möglich“ (S. 38 f.). Zur gleichlautenden Anregung des Rhein-Sieg-Kreises führt die Verwaltung aus: „Eine solarenergetische Nutzung auf der neu zu errichtenden Halle ist nicht geplant, der Bebauungsplan steht dem aber auch nicht entgegen. Grundsätzlich sind Photovoltaikanlagen mit einer Begrünung auf dem Dach vereinbar“ (Stadt Bornheim „Ergebnisse der frühzeitigen … Beteiligung“, S. 5).Trotzdem finden sich „keine textlichen Festsetzungen zum Einsatz von erneuerbaren Energien sowie zur sparsamen und effizienten Energienutzung“ („Bebauungsplan Se 11 – Umweltbericht“, Stand 12.11.2020,S. 45., vgl. auch: Stadt Bornheim, „Textliche Festsetzungen“).

LSV-Anregung:

Die Stadt setzt verbindlich die Nutzung von Photovoltaik und/oder Solarthermie fest. Durch den Abkühlungseffekt der Kollektoren könnte zudem hinsichtlich der im Betrieb verarbeiteten, Feuer gefährlichen Chemikalien das Gefahrenpotential z.B. durch erhöhte Brand- und Explosionsgefahr gemildert werden.

5. Immissionsschutz

Von dem Betrieb sind keine kritischen Lärmemissionen zu erwarten (Stadt Bornheim: „Bebauungsplan Se 11 – Begründung“, Stand 12.11.2020, S. 6).

6. Störfallschutz

Der Betrieb wurde einer Überprüfung nach der „Seveso-III-Richtlinie“ zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen unterzogen. Die „Ermittlung des angemessenen Abstands i.S. Art. 13 Seveso-III-Richtlinie für den Betriebsbereich der Kersia Deutschland GmbH, Bornheim“ kommt bei umfassender Prüfung von sechs möglichen Störfallszenarien (Brand, Leckagen und Gaswolkenexplosionen) zum Ergebnis, der Standort Bornheim der Kersia Deutschland GmbH sei „ein Betriebsbereich der unteren Klasse der Störfallverordnung (12. BImSchV)“. Der Gefahrenradius kann sich laut einem der Szenarien bis zu 118 m über die Grenze des Betriebsbereiches erstrecken. Eine Abstandsfläche von 118 m um das Werksgelände müsse „somit als abdeckender Achtungsabstand“ beachtet werden  (YNCORIS GmbH & Co. KG ISGM / Anlagensicherheit, Hürth 09.11.2020, S. 14 u. 44).

Der Abstand vom Betriebsgelände beträgt zur Bahnstrecke Bonn-Köln ca. 160 m und zu den nächsten Wohnhäusern ca. 375 m. Innerhalb der Abstandsfläche liegen allerdings einige Betriebsgebäude ohne Werkswohnungen am Nordrand des Sechtemer Gewerbegebietes (S. 45).

Im Umfeld des Se 11 liegen keine Betriebe, die durch Störfälle Katastrophen auslösen könnten. Eine Gefährdung der Betriebsanlagen der Kersia von außen her ist deshalb unwahrscheinlich.

Eine Genehmigung der Bezirksregierung Köln nach dem BImSchG liegt noch nicht vor (S. 9), ist aber unabdingbare Voraussetzung für das Inkrafttreten des Bebauungsplans.

7. Grundwasserschutz

Auch wenn das Plangebiet in keiner „Wasserschutzzone“ liegt, ist dem Grundwasserschutz ein hoher Stellenwert beizumessen, zumal der Betrieb u.a. giftige und ätzende Chemikalien verarbeitet und lagert. Der Gewässer- und Grundwasserschutz soll „im Genehmigungsverfahren über eine Eignungsfeststellung gemäß Wasserhaushaltsgesetz (WHG) in Verbindung mit der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) sichergestellt“ werden: „Zudem erfolgt regelmäßig eine Überwachung intern und durch Sachverständige. Im Rahmen der erforderlichen Genehmigungsverfahren nach Baurecht bzw. Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) muss zudem ein Löschwasserrückhaltekonzept vorgelegt werden“ (Stadt Bornheim: „Bebauungsplan Se 11 – Begründung“, Stand 12.11.2020, S. 4 f.).

8. Abwasserentsorgung

Das unbelastete Niederschlagswasser von Dächern ist zur Versickerung im Plangebiet vorgesehen: „Belastetes Niederschlagswasser soll vorbehandelt und an den vorhandenen Regenwasserkanal angeschlossen werden“ (S. 7).

9. Erholungsnutzung

Der LSV teilt die Einschätzung im Umweltbericht, dass das Umfeld kaum eine Bedeutung für die Tages- und Feierabenderholung hat (S. 25).


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