Stellungnahme vom 28. Nov 2021

Frühzeitige Beteiligung Bebauungsplan Bo 27 „Hellenkreuz“ in der Ortschaft Bornheim

Az.: 61 26 01

Bebauungsplan Bo 27 „Hellenkreuz“ in der Ortschaft Bornheim

Stellungnahme des LSV zum Bebauungsplan Bo 27 in der Ortschaft Bornheim

1. Bewertung des Vorhabens durch den LSV

Das ca. 6 ha große Bebauungsplangebiet liegt zwischen der Königstraße und der Straße Hohlenberg. An der Königstraße sollen eine neue Rettungswache des Rhein-Sieg-Kreises und ein neues zentrales Feuerwehrgerätehaus Bornheim mit einem dazwischen liegenden Gewerbegebiet entstehen. Der LSV unterstützt die Planung der Rettungswache und des Feuerwehrgerätehauses mit dem dazwischen eingefügten Gewerbegebiet an diesem verkehrsgünstig gelegenen Standort nachdrücklich. Die diesbezügliche Begründung der Stadtverwaltung teilen wir (Stadt Bornheim, Bo 27- Allgemeine Ziele und Zwecke der Planung, Stand 8.4.2021, S. 5).

Zwischen diesem Bereich und der bestehenden Wohnbebauung am Hohlenberg wird ein neues Wohngebiet geplant. Begründet wird dies von der Stadtverwaltung wie stets mit dem „zunehmenden Überschwappeffekt aus Köln und Bonn“ (Stadt Bornheim, Bo 27- Allgemeine Ziele und Zwecke der Planung, Stand 8.4.2021, S. 6). Diese Begründung für das neue Wohngebiet ist für den LSV nicht stichhaltig.

Ende des Wachstums?

Die sicher vorhandene Wohnungsnachfrage aus Bonn und Köln löst keine zwingende Notwendigkeit aus, dieser nachkommen zu müssen. Es liegt unter Beachtung der landes- und regionalplanerischen Vorgaben in der kommunalen Planungshoheit, wo und in welchem Umfang Wohngebiete ausgewiesen werden. Im Handlungskonzept „Wohnen in Bornheim 2030“ der empirica Bonn (2019) wird darauf hingewiesen, dass die Einwohnerzahl Bornheims „von 36.600 im Jahr 1991 auf rd. 48.000 im Jahr 2003, also um rd. 31 % in 12 Jahren“ stieg (S. 14). Bornheim hat also bereits Erhebliches geleistet, um den Wohnungsdruck aus den umliegenden Großstädten abzumildern. Laut den Zielen der übergeordneten Raumplanung des Landes NRW (Bornheim = Mittelzentrum) und des FNP 2011 soll das Wachstum der Bornheimer Bevölkerung auf ca. 50.000 – 55.000 Einwohner begrenzt werden. Die Einwohnerzahl Bornheims betrug am 02.08.2019 laut städt. Homepage 49.662. Das Ziel eines durch die Landesplanung vorgegebenen Mittelzentrums mit gut 50.000 Einwohnern ist mit den bereits nach dem 02.08.2019 rechtskräftig gewordenen Bebauungsplänen erreicht (z.B. He 31 in Hersel 170 Wohneinheiten, Rb 01 in Rösberg bis zu 85 Wohneinheiten, Me 16 in Merten 140 Wohneinheiten), wenn dort nach der Bauphase Neubürger eingezogen sind. Die Stadt Bornheim geht von einem „Ansatz von 2,5 Einwohner/Wohneinheit“ aus. Allein die drei genannten Baugebiete He 31, Rb 01 und Me 16 führen demnach zu einem Bevölkerungwachstum in Bornheim um ca. 987 Einwohner. Die für ein Mittelzentrum vorgesehene Einwohnerzahl wird folglich auch ohne die im Plangebiet Bo 27 vorgesehene Wohnbebauung bei Umsetzung der bereits in den letzten Jahren rechtskräftig gewordenen Baugebiete realisiert.

Es besteht deshalb nach Erfüllung der landes- und regionalplanerischen Vorgaben für Bornheim keine Notwendigkeit mehr, durch immer neue Baugebiete den ohnehin bereits dramatisch geschrumpften Bornheimer Freiraum zu Lasten der erholungssuchenden Menschen, der Landwirtschaft und der Natur weiter zu reduzieren. Der Flächenverbrauch sollte endlich gestoppt werden.

Anregung des LSV

Nachdem das Ziel der übergeordneten Raumplanung, Bornheim zu einem Mittelzentrum mit ca. 50.000 Einwohnern zu entwickeln, erreicht ist, soll künftig der Schonung des Freiraums Vorrang vor weiteren Bauleitplanungen zu Lasten des Freiraums eingeräumt werden.

Laut Variante 1 sollen im Wohngebiet 54-58 neue Wohneinheiten entstehen, die meisten davon in Einfamilienhäusern, nur 18 in Mehrfamilienhäusern. Von einer verdichteten Bauweise zur Reduzierung des Freiflächen-Verbrauchs kann bei lediglich „22,5–24 Wohneinheiten pro Hektar“ (Stadt Bornheim, Bo 27- Allgemeine Ziele und Zwecke der Planung, Stand 8.4.2021, S. 8) wie so oft bei Bornheimer Wohngebietsplanungen nicht die Rede sein.

Eine etwas erhöhte Baudichte weist die Variante 2 auf. Hier könnten bei einem um 3.000 qm verkleinerten Gewerbegebiet 86-94 Wohneinheiten entstehen, davon in Mehrfamilienhäusern 44 Wohneinheiten, bei 25 mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung realisierten Wohneinheiten 50 Wohnungen. Hiermit wäre eine Dichte von „31-33 Wohneinheiten pro Hektar“ zu erreichen (Bo 27- Allgemeine Ziele und Zwecke der Planung, Stand 8.4.2021, S. 9).

Anregung des LSV

Sollte trotz noch entgegenstehender planrechtlicher Situation das Baugebiet in voller Ausdehnung umgesetzt werden können, plädiert der LSV aufgrund der höheren Baudichte im geplanten Wohngebiet für die Realisierung der Variante 2.


2. Planungsrechtliche Situation
  • Regionalplan
    Die Bebauungsplanung steht in Teilbereichen im Widerspruch zur Regionalplanung, die südlich des Wirtschaftsweges einen „Allgemeinen Freiraum- und Agrarbereich“ vorsieht, dessen westlicher Teil als Regionaler Grünzug“ dargestellt wird. Es bleibt abzuwarten, ob diese Widersprüche im Benehmen mit der Bezirksregierung Köln vollständig ausgeräumt werden.
  • Landschaftsplan Nr. 2 Bornheim
    Die Bebauungsplanung steht hinsichtlich des südlichen Teils seines Geltungsbereiches im Widerspruch zum Landschaftsplan. Der rechtskräftige Landschaftsplan setzt für diese Teilfläche das höchstrangigste „Entwicklungsziel 1 a“ fest, welches die „Erhaltung einer mit naturnahen Lebensräumen oder sonstigen natürlichen Landschaftselementen reich oder vielfältig ausgestatteten Landschaft“ vorsieht. Im übrigen Planungsbereich wurde dagegen das „Entwicklungsziel 4“ festgesetzt, dass nur eine „temporäre Erhaltung“ der Landschaft bis zur Verwirklichung „von Vorhaben über die Bauleitplanung“ gewährt (Rhein-Sieg-Kreis: Landschaftsplan Nr. 2 Bornheim: „Planlegende“).

    Die Abwägung zwischen dem Schutz der Landschaft und der Planung des Wohngebietes in der Verwaltungsvorlage ist unzureichend. Laut BauGB (§ 35, Abs. 3 Nr. 2) stellt eine Bebauungsplanung eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange dar, wenn dieser Planung ein Landschaftsplan mit konträrer Zielsetzung entgegen steht. Die ausstehende Abwägung kann unseres Erachtens nur zum Ergebnis kommen, dass die im Landschaftsplan festgelegte Fläche mit dem höchst-rangigsten „Entwicklungsziel 1 a“ nicht durch einen Bebauungsplan konterkariert und damit außer Kraft gesetzt werden sollte. Das Interesse der Allgemeinheit am bisher durch Landschaftsschutz der Kategorie 1 a im Landschaftsplan gesicherten Freiraum ist höher einzustufen als das Interesse zur Entwicklung eines weiteren Wohnbaugebietes.

    Es bleibt abzuwarten, ob der Rhein-Sieg-Kreis als Träger der Landschaftsplanung dieser Konterkarierung des „Entwicklungsziels 1 a“ im Rahmen seiner Beteiligung widerspricht.
  •  Flächennutzungsplan
    Der Bebauungsplan widerspricht zahlreichen Festlegungen im Flächennutzungsplan. Dieser soll deshalb im Rahmen des parallel laufenden Verfahrens zur  „17. Änderung des FNP Bornheim“ an die vorliegende Bebauungsplanung angepasst werden.

3. Natur und Landschaft 
  • Vegetation
    Nördlich des Wirtschaftsweges zwischen Königstraße und Hohlenberg überwiegt extensiv von Pferden beweidetes Grünland. Der Innenbereich weist einen starken Bewuchs mit Büschen und Bäumen auf. Der Bereich südlich des Wirtschaftsweges ist durch Ackerflächen mit kleinflächigen Brachflächen geprägt (Bebauungsplan Bo 27, Artenschutzrechtliche Prüfung Stufe I, Kölner Büro für Faunistik, 15.09.2020, S. 10).
  • Tierarten
    Die Ermittlung der planungsrelevanten Arten fußt auf der Potenzialeinschätzung zweier, nur teilweise vollständiger Messtischblätter des LANUV aus dem Jahr 2019 sowie einer Ortsbegehung vom 27.08.2020 zur Erfassung der Biotop- und Nutzungstypen (Artenschutzrechtliche Prüfung Stufe I, Kölner Büro für Faunistik, 15.09.2020, S. 16).
     
    Das Kölner Büro für Faunistik kam dabei zu folgenden Einschätzungen:
    „Im Vorhabenbereich sind Brutvorkommen von 12 planungsrelevanten und mehreren nichtplanungsrelevanter Brutvogelarten nicht auszuschließen. Bei den nichtplanungsrelevanten Vogelarten kann eine artenschutzrechtliche Betroffenheit im Rahmen von Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen verhindert werden. Diese dienen auch dazu, das Eintreten des Tötungsverbotes für die planungsrelevanten Vogelarten zu verhindern. Es verbleibt aber für Bluthänfling, Feldschwirl, Feldsperling, Girlitz, Kuckuck, Mehlschwalbe, Neuntöter, Rauch-schwalbe, Schwarzkehlchen, Star, Steinkauz und Turteltaube eine potenzielle Beeinträchtigung durch Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten … Das Vorkommen planungsrelevanter Arten des Anhangs IV FFH-RL beschränkt sich … auf einige Fledermausarten, die Haselmaus und die Zauneidechse. Abendsegler, Braunes Langohr, Breitflügelfledermaus, Fransenfledermaus, Großes Mausohr, Kleinabendsegler, Mückenfledermaus, Rauhautfledermaus, Teichfledermaus, Wasserfledermaus und Zwergfledermaus sowie Haselmaus und Zauneidechse könnten innerhalb des Plangebietes auch Fortpflanzungs- und Ruhestätten besitzen. Da bei der Umsetzung der Planung potenziell geeignete Quartiere von Fledermausarten in Anspruch genommen werden, potenziell zur Anlage von Sommer- wie auch Winternestern der Haselmaus geeignete Gebüschbestände gerodet und für die Zauneidechse geeignete Teillebensräume überbaut würden, könnte das Vorhaben zur Zerstörung ihrer Fortpflanzungs- und Ruhestätten führen ... Für Haselmaus und Zauneidechse kann zudem eine Tötung von Individuen nicht ausgeschlossen werden“ (Artenschutzrechtliche Prüfung Stufe I, Kölner Büro für Faunistik, 15.09.2020, S. 31 f.).

Die Verwaltung geht davon aus, dass der massive ökologische Eingriff nur zu einem kleinen Teil innerhalb des Plangebietes erfolgen kann und größtenteils außerhalb des Bebauungsplans ausgeglichen werden muss (Bo 27- Allgemeine Ziele und Zwecke der Planung, Stand 8.4.2021, S. 10).

Anregungen des LSV

  1. Aufgrund des bedeutsamen Potenzials an planungsrelevanten Arten im Geltungsbereich des Bo 27 und seiner direkten Nachbarschaft ist eine artenschutzrechtliche Prüfung der Stufe II nach den Empfehlungen des Büros für Faunistik durchzuführen (Artenschutzrechtliche Prüfung Stufe I, Kölner Büro für Faunistik, 15.09.2020, S. 33). Auf dessen Grundlage ist der Eingriff in Natur und Landschaft unter Festlegung von Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen zu bewerten, eine Ausgleichsbilanzierung vorzunehmen und in einem Umweltbericht zusammen zu fassen.
     
  2. Der nördliche Bereich der Straße Hohlenberg ohne bereits vorhandene Bebauung wird bis zur Einmündung in die Königstraße in den Geltungsbereich des Bo 27 aufgenommen. Es ist von der Stadt bereits angedacht, diese unfallträchtige Einmündung in die Königstraße durch die geplante neue Verbindung vom Hohlenberg zum Verkehrskreisel auf der Königstraße zu ersetzen. Der Hohlenberg sollte im beschriebenen Abschnitt nach seiner Abbindung entsiegelt und begrünt werden. Dadurch wäre ein größerer Anteil des Eingriffsausgleichs im selben Plangebiet möglich.

4. Klimaschutz und Energiewende:

Die Stadtverwaltung führt hierzu lediglich aus:
„Die Mehrfamilienhäuser sollen aus Gründen des klimaschützenden Bauens mit begrünten Flachdächern ausgestattet werden. Dies ist auch für einen Teil der Einfamilienhäuser denkbar“.
 
Im Gewerbegebiet sind E-Ladesäulen und eine Mobilstation für Leihfahrräder vorgesehen (Bo 27- Allgemeine Ziele und Zwecke der Planung, Stand 8.4.2021, S. 7). Alles begrüßenswerte Vorhaben. Um aber das vom Stadtrat beschlossene Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, sind diese Maßnahmen allein völlig unzureichend. 

Anregungen des LSV

  1. Im Bo 27 werden weitere Maßnahmen zur lokalen Dämpfung des durch den Klimawandel bedingten Temperaturanstiegs im Baugebiet wie z.B. möglichst starke Durchgrünung der öffentlichen und privaten Bereiche zur Reduzierung des Versiegelungsgrades festgesetzt. Solche Maßnahmen können z.B. Gebote für Hecken- und Baumpflanzungen oder Fassadenbegrünungen sein. Versiegelte Flächen wie z.B. Straßen und Dacheindeckungen sind mit hellen Materialien zur Reflektion der Sonneneinstrahlung auszuführen, um einer sommerlichen Überhitzung des Baugebietes entgegen zu wirken. Dem Konzept der Klimaregion Rhein-Voreifel zur Abmilderung der Klimaerwärmung im Rahmen der Bauleitplanung (vgl. Konzept-Präsentation am 06.02.2020 im Ratssaal Bornheim) ist möglichst zu folgen.
  2. Im Bo 27 wird verbindlich die Nutzung regenerativer Energien (z.B. Fotovoltaik und/oder Solarthermie) festgesetzt und das Bauen möglichst energiesparender Gebäude unterstützt. Der Koalitionsvertrag der kommenden Bundesregierung sieht für gewerbliche Immobilien ohnehin eine Solardachpflicht vor.

5. Ausstehende Untersuchungen 

Ein Schallgutachten und ein Lärmschutzkonzept sind angekündigt, liegen aber ebenso wie der Umweltbericht, eine Untersuchung der Bodenqualität, eine Verkehrsuntersuchung, ein Hydrogeologisches Gutachten zur Beurteilung der Versickerungsmöglichkeit von Niederschlagswasser, ein Entwässerungskonzept (abgesehen von einer in den Karten für ein Regenrückhaltebecken dargestellten Fläche im Norden des Bo 27) sowie eine Überprüfung der Leistungsfähigkeit des bestehenden Kanalnetzes noch nicht vor.

Insofern ist eine abschließende Beurteilung des Planungsvorhabens Bo 27 zum Zeitpunkt der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit noch nicht möglich.


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